Montag, 26. Januar 2015

Rezension: Der Geschmack von Wasser von Emmi Itäranta



Autor: Emmi Itäranta
Originaltitel: Teemestarin kirja
Genre: Dystopie, Jugendbuch
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
Erschienen: 1. September 2014
ISBN: 978-3-4236-5009-0
Broschiert:
340 Seiten; 14,95€
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Eine berührende Dystopie,
intensiv und poetisch erzählt








"Seit frühester Kindheit sind Noria und Sanja beste Freundinnen: Noria, die Tochter des Teemeisters, die bald selbst Teemeisterin sein wird und die Traditionen ihres Vaters auf die ihr eigene Weise neu auslegt, und Sanja, die gerne über die nahe gelegene Mülldeponie streift, um dort Plastikgeräte aus der »Alten Zeit« zu suchen und sie zu reparieren. Als Sanjas Familie immer mehr unter der allgemeinenTrinkwasserknappheit im Land zu leiden hat, entschließt sich Noria zu einem schicksalhaften Schritt: Sie erzählt ihrer Freundin von der geheimen Wasserquelle in der Felshöhle. Bald gibt es noch mehr Mitwisser, und Noria gerät ins Visier des Militärs, das jedes Geheimhalten von Wasservorräten als Wasserstraftat brandmarkt und ohne Gnade verfolgt."







Mal was anderes. Typisch Finnisch.

In einem Meer von Young Adult Dystopien, in denen Action und Liebe im Vordergrund stehen, sticht dieses Buch sofort heraus! In einer Welt in der kaum Zeit zum Lesen bleibt, alles zack zack, nebenbei, zwischendurch und ganz schnell gehen muss, eine oberflächliche Liebesbeziehung der Bringer schlecht hin ist und Tolkien als Einschlaflektüre gilt, zeigt eine junge Finnin, dass es auch anders geht.
Sie zeigt WORUM es wirklich geht:
Eine Dystopie. Back to the Roots.

Die junge Protagonistin steht auf der Schwelle zum Erwachsen werden - doch nicht in unserer Welt. Stellen wir uns eine dunkle Zukunft vor, weit weg und doch näher als wir vermuten.
Das Land in dem sie lebt ist ein Polizeistaat, da die militärischen Kräfte die alleinige Macht über die Ressource Wasser haben und somit die Macht über das Volk. Denn Wasser ist knapp. Öl gibt es nicht mehr. Kriege haben das Land zerstört und entzweit, in viele kleine Dörfer gespalten. Während das Militär hart gegen "Wasserverbrechen" vorgeht, werden die Bürger mittels Propaganda und Bestechung dazu angestiftet, Verbrecher sofort zu melden, wenn nötig ihre eigenen Nachbarn anzuzeigen.
Das kenne wir schon. Aus den 1930er und 40er Jahren.
Noria ist nicht nur die Tochter des hiesigen Teemeisters Meister Katio, sie ist auch seine Schülerin und fast fertig mit ihrer Ausbildung. Als ihr Vater ihr eine geheime Quelle zeigt, findet sich die junge Frau plötzlich zwischen den Fronten wieder. Und längst lässt sich Gut von Böse, Richtig von Falsch nicht mehr so leicht unterscheiden, wie Leben von Tod.
So wie die Quelle birgt auch die Vergangenheit ihre Geheimnisse und Noria begibt sich mit ihrer Freundin Sanja auf die gefährliche Suche nach der Wahrheit.

Es gibt keinen Liebesgeschichte, was schon ziemlich außergewöhnlich ist in diesem Genre. Dafür gibt es aber die Geschichte einer wunderschönen Freundschaft zwischen den beiden jungen Frauen Noria und Sanja.
">>Ich glaube nur, dass wir uns jeden Tag neu für das Richtige entscheiden müssen, obwohl wir wissen, dass es keine Belohnung gibt.<<" - S. 311 
So sollte eine Dystopie sein. Keine Massenware, sondern mit Sinn und Verstand. Eine Dystopie sollte nicht nur unterhalten, sondern wirklich etwas zusagen haben. Und das hat die Autorin. Brandheiße und aktuelle Themen, wie verantwortungsvoll mit der Umwelt umzugehen oder den Generationennutzen über eigenen zustellen werden hier auf intellegente Weise verpackt.
Wem das Ende merkwürig erscheint, der sollte es von einer anderen Seite betrachten.
Das Buch hört konsequent an einer Stelle auf, die nicht auf Band zwei aufmerksam machen soll, sondern auf die Handlungsfähigkeit des Lesers. Passives Lesen wird hier zu bewusstem und aktiven Lesen.
Es ist außerdem ein hoffnungsvolles Ende, denn wo Norias Geschichte endet, fänt unsere erst an.

Emmi Itäranta schreibt in einer unglaublich poetischen und bildreichen Sprache
Ihre Erzählweise ist mal ruhig, mal schnell, lässt sich aber Zeit für facettenreiche Charaktere und wunderschöne Details. So kann sich der Leser in einer neuen Welt verlieren, während er seine eigene mit Noria und Sanja erforscht. Die Parallelen zu unserer eigenen Welt und die erschreckende Nähe zu dieser dystopischen Zukunft nahm mich mit und ließ mich nicht mehr los. Zusammen mit der Sprache eine allzu intensive Mischung.
"Der Tod ist ein naher Verbündeter des Wassers. Man kann sie nicht trennen, und beide kann man nicht von uns trennen, weil wir am Ende aus ihnen gemacht sind: aus der Wandelbarkeit des Wassers und der Nähe des Todes." - S. 9

Da die Autorin wie viele Finnen bilingual ist, hat sie ebenfalls eine Originalsausgabe auf Englisch verfasst - "The Memory of Water" -, die ich für die Englisch-Leser unter uns mal verlinkte: Gebunden & Taschenbuch.






Wortgewaltig nimmt die junge finnische Autorin uns mit in eine beklemmende Zukunft, die näher ist als wir es gerne hätten. Mit einer intensiven und poetischen Sprache und intellegent eingefädelten Message appelliert sie an die Leser und nimmt sie gefangen.
Was wäre wenn... es kaum Wasser mehr gäbe... Verzweiflung statt Liebe die Menschen treibt... wir unseren Kindern einen zerstörten Planeten hinterlassen?

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